Akte Recht: Kundus-Ermittlungen genügten menschenrechtlichen Anforderungen; Heimtücke-Mord erfordert ein Ausnutzungsbewusstsein
In der neuen Ausgabe der Akte Recht stellen wir zwei spanende Entscheidungen des EGMR sowie des BGH vor.
Die menschenrechtliche Aufarbeitung politisch brisanter Vorfälle dauert mitunter mehr als ein Jahrzehnt, erfolgt aber doch: Die Große Kammer des EGMR hat zu dem 2009 auf Kommando eines Bundeswehroffiziers erfolgten Luftangriff von Kundus, bei dem neben Taliban auch Zivilisten getötet worden waren, geurteilt. Nach Sicht der Mehrheit der Straßburger Richter*innen ist die EMRK auch auf diesen extraterritorialen Einsatz anwendbar. Die Große Kammer war jedoch einstimmig der Auffassung, dass die deutschen strafrechtlichen Ermittlungen den Anforderungen an mitgliedstaatlichen Lebensschutz nach Art. 2 Abs. 1 EMRK genügt hatten.
Die Tötung einer arg- und wehrlosen Person führt bei Wahrnehmung aller erforderlichen Umstände zu einem Heimtücke-Mord, soweit so klar. Wobei, ist dem wirklich so? In dieser aktuellen Entscheidung des BGH wird einerseits zwischen der Wahrnehmung aller Umstände, die aus einer Tötung eine heimtückische machen und dem Bewusstsein, diese Umstände zur Tat auszunutzen differenziert. Erst mit dem Vorliegen eines solchen Ausnutzungsbewusstseins könne ein Mord aus Heimtücke bejaht werden. Im Falle besonderer Umstände, so wie in diesem Fall, könne ein Gericht nicht einfach vom Wissen der Umstände auf besagtes Ausnutzungsbewusstsein des Täters schließen. Vielmehr müsse es ein solches aktiv nachweisen.